Freude und Trauer liegen nah beieinander, wenn ein krankes oder zu früh geborenes Baby zur Welt kommt. Da ist das Gefühl, gerade das größte Glück der Erde erfahren zu dürfen: Eltern sein. Aber an ganz vielen Tagen überwiegt das Gefühl der Trauer und der Angst. Leid und Schmerz sind bestimmend. Es fließen häufig Tränen. Dass es ganz wichtig ist, dieses Wechselbad der Gefühle zuzulassen, Freude und Schmerz zu leben und zu erleben, lernen Eltern im Klinikalltag – häufig begleitet durch ein Psychologen-Team und die Klinikseelsorger. So ist es auch seit vielen Jahren in Mannheim. Was lange Zeit fehlte, war ein Raum, in dem Eltern und Familien einen sicheren Zufluchtsort finden. Ein Ort, der ihnen nicht nur eine gewisse Distanznahe vom hektischen Stationstreiben ermöglicht, sondern zudem durch eine Atmosphäre des Schutzes und der Stille die Chance gibt, die eigene Gefühlswelt zu ergründen und zu ordnen. Nun wurde dieser Raum – bereits im Jahr 2019 im Zuge der Sanierung der Stationen 28-4 und 30-4 – geschaffen. Finanziert wurde er von drei mit dem Klinikum verbundenen Elternvereinen, und auch unser Verein hat sich mit einem Zuschuss von 1500€ an der Gestaltung und Einrichtung dieses wichtigen Raumes beteiligt.
Auf den ersten Blick wirkt er nüchtern, der neue Besinnungsraum. Pastellfarben und zart-unaufdringliche Farbtöne, die auf das Bedürfnis seiner Nutzer nach Ruhe antworten, bestimmen die Optik. Eine Sitzgruppe, ein Paravent, ein heller Fußboden in Holzoptik, wenig textile Elemente, dafür aber Bücher, die allen Interessierten zur Verfügung stehen. Alles wirkt sauber und gepflegt und erfüllt freilich höchste hygienische Standards, und dennoch haben jene, die das Konzept des Besinnungsraumes erarbeitet haben, den Spagat geschafft, dem Raum zugleich etwas Einladendes, Wohliges einzuhauchen.
Der Einsatz des Raumes ist vielfältig: Er dient als Rückzugsort für Gespräche – zum Beispiel mit den Klinikseelsorgern und den Psychologen. Der Raum hat keine Ohren: Hier darf auch mal das ausgesprochen werden, was man auf der Station lieber für sich behalten möchte. Hier darf alles herausgelassen werden, hier darf geflucht, geweint oder auch gebetet werden – alleine, oder unterstützt durch die Klinikseelsorger... Ganz wichtig ist dieser Raum für eine bestimmte Elterngruppe, die dem Risiko, im hektischen Klinikalltag unterzugehen und vielleicht sogar vergessen zu werden, besonders ausgesetzt ist: Jene Eltern nämlich, die ihr Baby verloren haben, nutzen den Raum, um sich von ihrem verstorbenen Kind zu verabschieden, und dies in ihrem Tempo, ohne Zeitdruck von außen. Hier darf die Familie zum Kennenlernen und Abschiednehmen zusammenkommen, hier finden Geschwisterkinder einen Ort, an dem sie das, was der Familie widerfahren ist, vermutlich zum ersten Mal begreifen (und dies ganz wörtlich) und verinnerlichen können. Dass die Geschwister der kleinen Sternenbabys, die leider oftmals erst sehr spät in die Trauerarbeit einbezogen werden, bei der Gestaltung des Mannheimer Besinnungsraums ganz besonders in den Fokus gerückt wurden, wird durch das farbenfrohe Bild, das das Zimmer als Wandbehang schmückt, deutlich. Es zeigt das Cover des Buchs Abschied von der kleinen Raupe (Heike Saalfrank/ Eva Goede) und erzählt – ohne Worte – die rührende Geschichte zweier unzertrennlicher Freunde: Die Schnecke Schmierle und die Raupe Schmatz verbringen einen fröhlichen Sommer zusammen, doch nach der kurzen Phase des gemeinsamen Glücks stirbt Schmatz eines Tages.
Schmierle ist schrecklich traurig, doch dann wird sie sich gewahr, dass die Erinnerung an ihren Freund geblieben ist, und dass Schmatz in ihren Gedanken weiterleben kann. Der Besinnungsraum ist zu einem Ort geworden, der das Erzeugen der unvergänglichen Erinnerungen an die kurze gemeinsame Zeit nicht nur durch diese in den Mittelpunkt gestellte nonverbale Botschaft, sondern durch sein gesamtes Erscheinungsbild unterstützt. Er gibt allem, was zum Leben gehört, einen würdigen Platz. Auch dem Tod. Er ist Ort der Ruhe und der Stille, aber nicht der Erstarrung. Er lässt innehalten, aber er lädt ein, über das, was einen im tiefsten Inneren bewegt, zu sprechen. Das macht ihn wertvoll, ja: unverzichtbar!
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